Ein Gruppenangebot für Einsatzgeschädigte und deren Partner*innen
Nach meiner langjährigen Beobachtung in der klinischen Arbeit mit traumatisierten Soldaten, anderen Einsatzkräften und anderen traumatisierten Menschen sehe ich als systemischer Therapeut einen großen Bedarf bei Angehörigen von Traumaopfern. Diese werden gerade in der ambulanten Versorgung von Einsatzgeschädigten oft nur „am Rande“ mitberücksichtigt. Durch Gespräche mit Angehörigen in der ambulanten Therapie ist mir aufgefallen, dass diese zum einen oft nicht wissen, was genau mit ihren traumatisierten Partnern „nicht mehr stimmt“. Die Diagnose PTBS ist zwar hilfreich, erklärt jedoch nicht die spezifischen Probleme, mit denen sich Soldaten und deren Angehörige auseinandersetzen müssen (s. dazu mein Konzept für die Arbeit mit traumatisierten Soldaten). Zum anderen sind Angehörige selbst belastet. Unter anderem durch Probleme aus ihrer eigenen Biografie, durch den Umgang mit ihren traumatisierten Partnern, mit gemeinsamen Kindern, Eltern, Verwandten, sowie im Kontakt mit dem sozialen Umfeld. Hier fehlen praktisch anwendbare Strategien, um sich selbst und ggf. Kinder vor Überlastung zu schützen und zudem angemessen mit den belasteten Partnern umgehen zu können. In vielen Fällen scheint Trennung dann der einzig gangbare Weg zu sein.
1 Konzept:
Ich habe daher ein ambulantes Konzept für traumatisierte Soldaten und deren Partner entwickelt.
Da es meines Wissens ggw. kein ambulantes Konzept dieser Art gibt, fehlen Informationen, was genau sowohl Angehörige als auch die Betroffenen „brauchen“, um die Probleme in Partnerschaft und Familie lösen zu können. Meine Ausführungen stellen daher eine begründete Hypothese dar, die auf meinem Modell zur Arbeit mit einsatzgeschädigten Soldaten beruht und die auf Brauchbarkeit in der Praxis überprüft werden muss.
2. Grundidee:
Nach meinen Beobachtungen entstehen Probleme im Wesentlichen durch vier Faktoren:
- Mangelnde Information darüber, was in einem einsatzgeschädigten Soldaten (über das übliche Stressmodell hinaus) vorgeht. Das gilt sowohl für Angehörige als auch für die Betroffenen.
- Mangelnde Wahrnehmungs- und Differenzierungsfähigkeit, aber auch starke Unsicherheit für die eigene Befindlichkeit. Das gilt in hohem Maße für Betroffene aber auch für Angehörige.
- Mangelnde Fähigkeit, diese Befindlichkeiten „sozial verträglich“ zu kommunizieren. Auch das gilt für Angehörige und Betroffene und scheint das größte Problem zu sein.
- Akzeptanz, das der einsatzgeschädigte Soldat niemals wieder „genau so sein wird“ wie er/sie mal gewesen ist. Auch das gilt für Angehörige und Betroffene.
3. Folgerungen für die Therapie:
Daher gilt für die Therapie des „Systems“, in dem sich ein einsatzgeschädigter Soldat aufhält, im Grunde etwas ähnliches wie für die Therapie der Betroffenen selbst.
- Anpassung des Familiensystems an das geänderte Selbst des Betroffenen, im Sinne einer vorbehaltlosen Akzeptanz.
- Dazu müssen die Werte neu geordnet werden. Die Prioritäten, was wichtig sein soll im Familienleben, müssen neu gesetzt werden.
- Hierbei spielt auch tatsächlich gelebte Trauer über die nunmehr veränderten Rahmenbedingungen, unter denen die Familie weiterbestehen soll, eine wichtige Rolle.
- Die individuelle Belastungsgrenze sowohl bei Angehörigen als auch bei Betroffenen muss von beiden akzeptiert werden.
- Radikale Transparenz: Die Betroffenen und die Angehörigen müssen lernen, ihre Gefühle und Körperreaktionen wieder angemessen wahrzunehmen, zu beschreiben und sozial verträglich zu kommunizieren.
- Dazu müssen sie auch lernen, Mehrdeutigkeiten auszuhalten und angemessen darauf zu reagieren.
- Neue gemeinsame Lebensziele müssen entwickelt werden, in denen die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden sollten.
4. Vorgehen:
Gruppensetting mit 4 — 6 Paaren. Es sollen 10 Treffen mit jeweils Doppelstunden (ca.100 Min.) stattfinden. Im Zentrum soll das Vermitteln von Information sowie das konkrete Einüben von Techniken stehen.
Die beiden Schwerpunkte sollen sein:
„Miteinander reden“ sowie „Miteinander wachsen“
Humor, Mut, Wissen und Übung spielen für eine gelingende Kommunikation eine entscheidende Rolle. Daher steht über dem „Miteinander reden“ und „Miteinander wachsen“ – „Miteinander spielend Neues entdecken“. Daher legt das Modell einen Schwerpunkt auf das Herausarbeiten und Fördern von Ressourcen
1. Kennenlernen
Worum es geht…und auch worum es nicht geht…
Sammeln: Wünsche (Einzeln, gemeinsam), Ziele (Einzeln, gemeinsam) Psychoedukation zu meinem Erklärungsmodell für die Arbeit mit betroffenen Soldat*innen; Hinweis auf gemeinsames Projekt…1 Grp.übung
2. Probleme:
Sammeln: Was ist ein Problem? Wie entstehen Konflikte? Psychoedukation zu Stress, Emotionen, Überzeugungen, Haltungen…1 Grp.übung
3. Miteinander reden 1
Was
funktioniert und warum? Was funktioniert nicht und warum nicht? Psychoedukation
zu verbaler/non-verbaler Kommunikation
Inhalts‑, Beziehungsaspekt von Kommunikation
Meta-Kommunikation (Watzlawick) — Übungen dazu
4. Miteinander reden 2
Psychoedukation: Gewaltfreie Kommunikation — Übungen dazu.
5. Miteinander reden 3
Tipps und Tricks um entstehende Konflikte direkt zu entschärfen – Übungen mit systemischen Kurzinterventionen (Musterunterbrechungen)
6. Miteinander wachsen 1
Sammeln: Werte, Lebensziele, Haltungen, Akzeptanz. Psychoedukation zu ACT — Übungen dazu
7. Miteinander wachsen 2
Sammeln:
Scham, Schuld – Würde, Verantwortung.
Psychoedukation: Würde als Haltung, Konzept von Scham als Würdeverletzung,
Diskussion und Austausch
8. Miteinander wachsen 3
Austausch und Diskussion zum Thema: Umgang mit Kindern, Verwandten, Freunden, dem sozialen Umfeld.
9. Projekt
Vorstellen eines gemeinsam erarbeiteten Projekts der jeweiligen Paare vor der Gruppe.
10. Abschluss
Arbeit mit Ritualen:
Verabschieden der alten Beziehung…Begrüßen der neuen Beziehung.
Auswertung, Anregungen, Evaluation, gemeinsames Essen/ Party